Sehr geehrte Abgeordnete
Am 27.6.2019 findet die 2. und 3. Lesung zur
Ferkelbetäubungssachkundeverordnung (FerkBetSachkV) im Bundestag
statt.
Antrag:
Wir bitten Sie, am 27.6.2019 gegen diese Verordnung zu stimmen und
die Abstimmungsempfehlung 19/10776 zu revidieren
Begründung:
Die deutschen Tierärzte haben bereits mehrfach ihre Bedenken zu
dieser geplanten Verordnung über ihre Standesvertretungen
vorgetragen und ich möchte Ihnen diese in Vorbereitung der am
27.6.2019 anstehenden Lesung und Abstimmung ebenfalls vorlegen:
Die Bundestierärztekammer (BTK) und der Bundesverbandes beamteter
Tierärzte BbT haben eine ausführliche Expertise und Stellungnahme
verfasst.
Wir bitten Sie sich vor Ihrer Abstimmung intensiv mit den dort
gemachten Ausführungen zu befassen und die dort gemachten
Expertenvorschläge zu berücksichtigen.
https://www.bundestieraerztekammer.de/tieraerzte/stellungnahmen/2019/03/Stellungnahme_Isofluran_2019.02.21.pdf?m=1554291732&
oder https://tinurl.com/btk-isofluran
Drei Punkte möchte ich besonders betonen:
1. Fehlende Schmerzausschaltung in ca. 30%
Isofluran ist als Narkosegas nur schwach schmerzstillend
(Analgesie). Es erzeugt laut Studienlage bei ca. 30% der
behandelten Ferkel keine ausreichende Schmerzausschaltung.
Daher ist immer eine begleitende Schmerzausschaltung durch weitere
Medikamente notwendig.
Es ist daher davon auszugehen, dass bei ca. einem 1/3 aller
männlichen Ferkel die Kastration wieder ohne ausreichende
Analgesie durchgeführt wird und damit die Eingriffe einen Verstoß
gegen das Tierschutzgesetz darstellen.
2. Kosten vs. Tierschutz
Im jüngsten Urteil (Aktenzeichen: BVerwG 3 C 28.16) zum Töten
männlicher Küken hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich
festgestellt, dass wirtschaftliche Gründe keinen sinnvollen Grund
im Sinne des §1 Tierschutzgesetz darstellen.
„Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das
wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit
hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten“
https://www.bverwg.de/pm/2019/47.
Dieses jüngste Urteil muss analog auch in der Ferkelkastration
Berücksichtigung finden:
Die Kastration eines Ferkels mit wirkungsvoller, schmerzstillender
Narkose würde ca. 6 bis 8 Eur je Ferkel Mehrkosten verursachen.
Rechnet man diese Kosten jedoch auf den Kilopreis Schweinefleisch
um, ergibt sich eine Erhöhung um lediglich ca. 3 bis 6 ct je kg !
Diese Mehrkosten können von jedem Verbraucher in Deutschland und
Europa getragen werden.
Vorschlag:
Wenn die Kastrationskosten dem Ferkelerzeuger von der
Lebensmittelindustrie erstatten würden, würde die Kastration für
jeden Betrieb bezahlbar bleiben und die Ferkelpreise im
Produktionsbetrieb nicht verteuern. Die Wettbewerbsfähigkeit
bliebe erhalten.
Damit einem Mißbrauch vorgebeugt werden kann, würde es sich
empfehlen die Kastrationskosten rechnerisch zu halbieren, aber
dafür für jedes Ferkel, egal ob männlich oder weiblich, dem
Erzeugerbetrieb vergüten zu lassen.
Der Nachweis des Geburtortes Deutschland ist über die
Ohrmarkennummer jederzeit möglich.
Der letztverarbeitende Betrieb kann die Kosten an den
Verbraucher weiterreichen.
Damit können Sie die Strukur der vielen kleinen Betriebe in
Deutschland wettbewerbsfähig erhalten.
Schweinefleisch aus Deutschland – tierschutzgerecht geboren,
kastriert, gemästet und geschlachtet- frei von Medikamenten wie
Improvac – kann als Marke etabliert werden und würde in Europa
einem Gütesiegel gleichkommen. Die Verbraucherakzeptanz kann man
als sicher annehmen.
3. Verfehlung des Staatszieles „Tierschutz“
Jede Narkose, insbesondere eine Allgemeinnarkose, ist
risikobehaftet und muss stets individuell gesteuert werden.
Dosierung von Medikamenten, Kontrolle der Wirkung und Umgang mit
schweren Narkosezwischenfällen erfordern zwingend umfangreichen
tierärztlichen Sachverstand.
Nur Tierärzte verfügen bei Zwischenfällen über die lebensrettenden
Kenntnisse und Fertigkeiten, sowie die Möglichkeiten zum Einsatz
hochpotenter verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Die
notwendigen verschreibungspflichtigen Medikamente dürfen Tierärzte
nicht auf Vorrat abgeben.
Auch der Einsatz von Isofluran kann zu Todesfällen bei den Ferkeln
führen.
Eine 6-stündige theoretische Schulung kann niemals die notwendigen
Inhalte und Fähigkeiten vermitteln, die für die sichere Führung
einer Narkose beim Saugferkel und den Umgang mit gefährlichen
Narkosezwischenfällen notwendig sind.
Die Folgen sind daher:
– weiterhin tierschutzwidrige Kastrationen wegen mangelhafter
Schmerzausschaltung und
– tierschutzwidrige und vermeidbare Todesfälle bei Ferkeln im
Zusammenhang mit der Kastration.
Es gibt dementsprechend keinen einzigen sinnvollen Grund ein
Medikament wie Isofluran und die Durchführung von Narkosen auch
nur teilweise aus der Hand der Tierärzte zu nehmen und in die
Hände der Landwirte zu legen.
Mit Ihrer Ablehnung der FerkBetSachkV tragen Sie aktiv zum
Tierschutz in Deutschland bei.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Klaus Sommer
1. Vorsitzender der Gemeinschaft freier Tierärzte
Fachtierarzt für Kleintiere
Heiglhofstr. 1a
81377 München
Des weiteren kann es nicht sein, dass immer mehr Medikamente reglementiert werden bzw. uns Tierärztin Auflagen gemacht werden, und für bestimmte Sparten in der Lebensmittelindustrie Ausnahmen getroffen werden, die eindeutig Züge von Lobbyismus tragen. Das ist Verbraucherbraucherschutztechnisch mehr als nur bedenklich.